Der poetologische Fragebogen

April 2021. Der Begriff Gegenwartsdramatik zielt stets auch auf die Frage, was Dramatik in der Gegenwart überhaupt ist. Dramatiker*innen haben in der Geschichte immer wieder neue Antworten gefunden. Was zeichnet Gegenwartsdramatik im Jahr 2021 aus? Wir haben sechs Autor*innen gebeten, uns Einblick in ihre Werkstätten zu gewähren. 

anmoderation schwarz weiss

 

Thomas Arzt |  Sivan Ben Yishai | Caren Jeß Ulrike Syha | Miroslava Svolikova | Ulf Schmidt 

 

 

Thomas Arzt: Überraschend fragil

Wo fängt man an?

Thomas Arzt: Irgendwo. Hauptsache anfangen. Streichen kann man immer noch später. Und das Beste passiert sowieso ungewollt mittendrin, während man noch denkt, gescheitert zu sein.

Was ist eine Figur?

Thomas Arzt: Ein Zeichen im Text, das für die einen "Gestalt" annimmt, für die anderen "Konstrukt" bleibt, und wieder andere hauen mit dem Hammer drauf. Ich weiß nur so viel: Manchmal legen Figuren das Zeichenhafte ab und wachsen ungewollt über die Seitenränder hinaus. Dann sind sie schwer wieder einzufangen.

Wie sieht eine Szene aus?

Thomas Arzt: Im Kopf vollkommen klar. Am Notizzettel unlesbar. Am Papier plötzlich wankend, suchend. Beim wiederholten Lesen verblüffend anders. Im Lektorat widerständig. Auf der Leseprobe von allen Seiten beäugt. Auf der Bühne unverhofft schlüssig, wo zuvor Zweifel war, überraschend fragil, wo es niemand vermutete, völlig aufgelöst, wo die Sätze letztlich nur für sich stehen.


Wer spricht?

Thomas Arzt: Der Mensch auf der Bühne, die Institution Theater, die Handschriften der Autor*innen, das Mundwerk der Schauspieler*innen, die Köpfe, die Körper, die Kritik an der Welt; die Dramaturg*innen, die Lücken erkennen, die Regisseur*innen, die scharfstellen, die Intendant*innen, die ermöglichen, das gesamte Ensemble (kein Sprechen ohne die unscheinbarste Nebenstimme); das Feuilleton (es spricht manchmal dagegen, aber auch das ist wichtig), das Publikum (wenn es da ist), flüsternd in den Reihen, lautstark am Pausenbuffet, erschöpft oder, wer weiß, ekstatisch danach; und der Raum, der da ist, der da wäre, den zeitweise niemand hört, wenn grad mal Pandemie ist.

Wann ist Schluss?

Thomas Arzt: Sobald das Vergessen einsetzt. Das passiert mitunter schon während der Premiere. Aber nicht immer. Dann kann's passieren, dass dir jemand noch Jahre später sagt: Du, damals, echt, das Stück, du, weißt eh, das mit dem Dings und über, weißt schon, du, echt – das war gar nicht schlecht.

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Portrait ArztThomas Arzt
© Joseph Krpelan
Thomas Arzt, geboren 1983 in Schlierbach (Oberösterreich), lebt in Wien. 2011 wurde sein viel beachtetes Debüt "Grillenparz" am Schauspielhaus Wien uraufgeführt. Seither entstanden zahlreiche Arbeiten für Theater im deutschsprachigen Raum, u. a. für die Wiener Festwochen, das Volkstheater Wien, das Schauspielhaus Graz, das Landestheater Linz, die Ruhrfestspiele Recklinghausen, sowie das Theater Sankt Gallen. Seine Stücke wurden mehrfach übersetzt und ausgezeichnet. 2012 erhielt er den Autor*innenpreis des Heidelberger Stückemarkts für den Text Alpenvorland. Zuletzt erschien sein erster Roman "Die Gegenstimme" im Residenz Verlag. 

  

   

  

Caren Jeß: Ohne Publikum keine Szene

Wo fängt man an?

Caren Jeß: Bei dieser Frage habe ich die Zeichentrickfigur Wickie aus "Wickie und die starken Männer" vor Augen, die mit ihrem Zeigefinger an ihrer Nase reibt und ruft: "Ich hab's!“, und hinter ihr sprudelt ein genialer Sternenregen empor. – So fängt man an. Nur dass es bei mir halt auch ohne starke Männer geht.

Was ist eine Figur?

Caren Jeß: Eine Figur ist dramatischer Text, der sich im Spiel einer Schauspieler*in bündelt, von ihr* durchdrungen und verkörpert wird.

Wie sieht eine Szene aus?

Caren Jeß: Eine Theaterszene ist die lebendige Gestaltung einer Handlung auf der Bühne. Sie beginnt mit einem Impuls, etwas Neuem, das kann ein Wort sein, eine Bewegung, Licht, Musik. Von diesem Impuls aus entfaltet sie sich. Im besten Fall tritt die Szene in einen Dialog mit dem Publikum, wirft Fragen auf, ruft Gefühle hervor, transformiert in den Köpfen der Zuschauer*innen zu deren eigenen Szenen. Ohne Publikum ist die Szene keine Szene.

Wer spricht?

Caren Jeß: Die Frage finde ich spannend, aber auch schwer zu beantworten. Sehr viele und doch zu wenige, vielleicht. Noch spannender finde ich die Frage, wer sich angesprochen fühlt. Zurzeit proben wir am Staatstheater Augsburg eine Stückentwicklung über postkoloniale Beziehungen, Rassismus und das relative Unvermögen, miteinander zu sprechen. Mit meiner Schwarzen Kollegin Maya trank ich neulich nach der Probe noch ein Bier auf der Straße. Wir kamen mit einem Mann ins Gespräch, ebenfalls Schwarz und von Beruf Krankenpfleger. Wir luden ihn ein, im Mai zu unserer Uraufführung zu kommen, er muss kommen, dachten wir, denn es geht auch um ihn. Aber er warf lachend den Kopf in den Nacken, murmelte immer wieder "Nee, nee", sagte dann: "Na, warten wir mal ab". Ich hoffe, dass er kommt, könnte es ihm aber auch nicht verdenken, wenn nicht. Vom Theater fühlt er sich nicht angesprochen. – Zu wem will und zu wem kann das Theater sprechen?

Wann ist Schluss?

Caren Jeß: Niemals. Was etwa John Cage mit seinem Stück ORGAN²/ASLSP demonstriert, nämlich die 639 Jahre dauernde Darbietung eines Kunstwerks, ist in gewisser Hinsicht nichts Besonderes, vielmehr Symbol für das Prozesshafte in der Kunst, das andauert – verwächst, verhärtet, pulverisiert, Einfluss ausübt, Widerstand erzeugt, was auch immer – nur eben nicht endet. Das Theaterereignis ist transitorisch und persistent zugleich – schon wieder weg und doch geblieben. :boom:

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Caren Jeß Micha SteinwachsCaren Jeß © Micha SteinwachsCaren Erdmuth Jeß, geboren 1985 in Eckernförde, studierte Deutsche Philologie und Neuere deutsche Literatur in Freiburg i.Br und Berlin. Als Dramatikerin trat sie das erste Mal 2017 in Erscheinung, als sie mit ihrem Stück Deine Mutter oder Der Schrei der Möwe den dritten Platz des Osnabrücker Dramatikerpreises belegte. 2018 gewann sie die Residency des Münchner Förderpreises für deutschsprachige Dramatik mit Bookpink. Mit der Grazer Uraufführungsinszenierung von Bookpink wurde sie 2020 für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert und zur Nachwuchsdramatikerin des Jahres erklärt. Im Jahr davor gewann sie außerdem den Else-Lasker-Schüler-Stückepreis für ihr Stück "Der Popper" und den Preis der taz-Publikumsjury des 26. open mike für "Die Ballade von Schloss Blutenburg". Caren Jeß lebt in Dresden.

 

 


Ulf Schmidt: Die Spuren des Gemachtseins ausstellen

Wo fängt man an?

Ulf Schmidt: Bei Unverstandenem, Unerhörtem, Unerträglichem, Unumgänglichem, das so dauerhaft anstößig im Weg herumliegt, wie der Tigerkopf im Dinner for One und zum monatelangen Stolpern veranlasst.

Was ist eine Figur?

Ulf Schmidt: Eine mit viel spielerischer Energie gemeinsam hergestellte, flüchtige dreidimensionale Illusion in Auge und Ohr des Beobachters. Sie sollte die Spuren des Gemachtseins auf der zweidimensionalen Oberfläche, als die sie erscheint, sicht- und hörbar ausstellen.

Wie sieht eine Szene aus?

Ulf Schmidt: Gemeinsame Entfaltung und Eskalation eines Impulses. Besser noch: mehrerer Impulse.

Wer spricht?

Ulf Schmidt: Wenn man abschließend beantworten könnte, warum überhaupt jemand spricht und man nicht vielmehr nicht spricht (eine beängstigende Frage), würde man sich dieser Frage vielleicht widmen können. Wer auch immer "man" ist.

Wann ist Schluss?

Ulf Schmidt: Wenn das, was am Anfang offen war, für so sein könnte, wie es jetzt erscheint, ohne vollkommen abgeschlossen zu sein.

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SchmidtUlf 002 Copyright Thilo BeuUlf Schmidt © Thilo BeuUlf Schmidt, 1966 in Braunschweig geboren, studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie in München, Paris und Frankfurt am Main. Nach seiner Promotion arbeitete er in einer Digitalagentur und gewann zahlreiche nationale und internationale Kreativpreise. Seit 2012 lebt er als selbständiger Autor und Dramaturg in Berlin. Schmidt schreibt für Schauspiel und Musiktheater, meist in Kollektiven, u. a. in Wien, Dresden, Ulm, Essen, Bonn und Gelsenkirchen. 2014 gewann er den Autor*innenpreis des Heidelberger Stückemarkts für seinen Text Der Marienthaler Dachs. Seit März 2020 arbeitet er in der Corons-Ambulanz eines Berliner Krankenhauses.
 
 
 

 

Miroslava Svolikova: Eine Figur ist alles, was spricht

Wo fängt man an?

Miroslava Svolikova: ich beginne mit einem ideenkern, einem bild, einer szene, oder einer figur. ganz gleich was es ist, es muss spürbar ein potential da sein, das sich danach weiter entfaltet und mit dem man weiterarbeiten kann. ich verhandle oft etwas auf basis eines abstrakteren gedankens, gedanken von aktuellen und älteren konzepten von gemeinschaft und zusammenhalt, verortung und identität. die zugrundeliegenden ideen gehen meistens in diese richtung, aber ich denke, dass die themen, für die man sich interessiert, sich im laufe der zeit auch verschieben können.

Was ist eine Figur?

Miroslava Svolikova: eine figur ist bei mir alles was spricht. die entäußerung eines konzepts, einer haltung, da ich oft auch dinge oder symbole sprechen lasse. die figuren äußern immer nur ihre jeweilige wahrheit, das heißt, man muss ihnen nicht glauben, sie können ironisch oder wahr sprechen, aber es gibt einen kern, in den man sich hineinfühlen kann, nämlich in das bedürfnis, sich zu äußern selbst. das bedürfnis, sich zu äußern, seine geschichte zu erzählen, sinn zu erzeugen, verbindung zu suchen, das eigene da sein zu verstehen. wohlmöglich im scheitern dieser versuche, in der wiederholung, im missverständnis, in der absurdität.

Wie sieht eine Szene aus?

Miroslava Svolikova: eine szene ist eine einheit, die zusammenhält. ich komme aus der bildenden kunst und arbeite wie dort auch oft collagenhaft. es gibt schnitte und sprünge und wiederholungen, der sinn ergibt sich oft erst in der zusammenschau der einzelnen elemente und deren überlagerungen. ich denke meine szenen oft bildhaft, viele szenen bestehen auch nur aus regieanweisungen.

Wer spricht?

Miroslava Svolikova: siehe "was ist eine figur".

Wann ist Schluss?

Miroslava Svolikova: wenn genug gesagt ist, wenn sich die lust am thema erschöpft. ohne lust an einer sache kann ich nicht arbeiten. aber eigentlich, wenn es rund wird, wenn es sich rundet. wenn es sitzt, dann ist es fertig.

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c anna breit Film Miru 02 sw 300dpi KopieMiroslava Svolikova © Anna BreitMiroslava Svolikova, geboren 1986, studierte Philosophie in Wien und Paris und bildende Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien. Besuch eines Lehrgangs für Szenisches Schreiben beim Dramaforum Graz. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Retzhofer Dramapreis 2015, Hans-Gratzer-Stipendium des Schauspielhaus Wien 2016, Nestroynominierung als bester Weiblicher Nachwuchs 2017, Dramatikerstipendium des Bundeskanzleramtes Österreich 2017, Autorenpreis der österreichischen Theaterallianz 2018. Die Marburger Inszenierung ihres Stücks Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt. wurde 2017 mit dem Nachspielpreis des Heidelberger Stückemarkts ausgezeichnet. Zuletzt: König Lear - Neuübersetzung für das Schauspielhaus Bochum. Lebt und arbeitet in Wien. 

 

 

Ulrike Syha: Zunächst sehr chaotisch

Wo fängt man an?

Ulrike Syha: Oft: Mit dem Schluss.
Dann geht man spazieren. Einmal von Altona bis Blankenese.
Und wenn man wieder zu Hause ist, zeichnet man ein bisschen. Einen Kreis. Eine Treppe. Oder eine etwas komplexere Struktur. Dann hat man den Bauplan fürs Stück.

Was ist eine Figur?

Ulrike Syha: Wenn’s gut läuft: Irgendwann ein guter Freund oder eine gute Freundin.
Wenn’s schlecht läuft: Jemand, den man wohl niemals verstehen wird.

Wie sieht eine Szene aus?

Ulrike Syha: Oft: Zunächst sehr chaotisch.
Hier ein Wort, da ein Satz, dazwischen ganz viele Leerstellen.
Wenn eine Szene irgendwann die komprimierte Form des ganzen Stückes darstellt, hat man was richtig gemacht. Macht man aber nicht immer. Zumindest nicht auf Anhieb.
Dazwischen muss man sehr viel spazieren gehen.
Ab und an ruft auch mal das Theater an und will wissen, ob man denn vorankommt. Dann löscht man schnell ein paar der Leerstellen im Skript, damit das digitale Blatt, auf das man starrt, zumindest für die Dauer des Telefonats nicht ganz so chaotisch aussieht.
Wenn man aufgelegt hat, macht man die Leerstellen dann wieder rein.

Wer spricht?

Ulrike Syha: Das ist eine gute Frage. (Ich habe gelernt, das sagt man immer dann, wenn man noch etwas Zeit zum Nachdenken braucht.)
Ganz sicher schon mal: nicht nur ich.
Denn da sind ja auch noch die Figuren in meinem Kopf. Die an einem guten Tag auch mal recht redefreudig sein können.
Und dann sind da auch noch die Schauspieler:innen. Aus denen sprechen die Figuren, aus denen spreche ich (mittels der Figuren), aus denen spricht die Regie – und hoffentlich auch immer ein bisschen sie selbst.
Und das Publikum spricht natürlich auch. In meinen Stücken aber meist erst hinterher.
Aber eine gute Frage, ja.

Wann ist Schluss?

Ulrike Syha: Wenn’s gut läuft: Wenn ich den Text auswendig kann und beim besten Willen nicht mehr weiß, was ich noch ändern sollte.
Wenn’s schlecht läuft: Wenn die Deadline droht und die Anrufe vom Theater immer häufiger werden.

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Syha Bo Lahola PhotographyUlrike Syha © Bo Lahola PhotographyUlrike Syha, 1976 in Wiesbaden geboren. Nach einem Studium der Dramaturgie in Leipzig und einer längeren Assistenz-Zeit am Schauspiel Leipzig lebt sie heute als freie Autorin und Übersetzerin von englischsprachiger Dramatik (Martin Crimp, Caryl Churchill, Ahlam u. a.) in Hamburg. Sie war Hausautorin am Nationaltheater Mannheim (2009 / 2010) und Writer-in-Residence in Nanjing (China), Vilnius (Litauen) und Novo Mesto (Slowenien). Ihre Stücke wurden zweimal zu den Mülheimer Dramatiker-Tagen eingeladen. 2018 erhielt Ulrike Syha für ihr Stück Drift den Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts, 2019 einen der Hamburger Literaturpreise für ihr Stück "Der öffentliche Raum". Ulrike Syha war von 2014 bis 2019 Koordinatorin bei EURODRAM und hat 2018/2019 die Weiterbildung Theatermanagement an der LMU München absolviert. 2020 war sie Fellow am Hanse-Wissenschaftskolleg Delmenhorst. Seit Oktober 2020 ist Ulrike Syha Vorstandsmitglied des Verbandes der Theaterautor:innen (VTheA).

 

 


Sivan Ben Yishai:
Ein Text ist ein Zeugnis

Wo fängt man an?

Sivan Ben Yishai: Ich kenne keinen anderen Rahmen in der sogenannten “functioning world,“ wo ich mir leisten kann, so intensiv, so paranoid, so beleidigt, so gewalttätig, so leidenschaftlich und so kritisch zu sein, wie ich es mir in meinem Schreiben erlaube - wo das nicht nur gestattet, sondern sogar ausgesprochen gewünscht ist. "By putting down a story, we say: we will never be zero," sagt Arundhati Roy. "Even if we lose, we're not going anywhere. To put it politely: fuck you". Das könnte ein Anfang sein.

Was ist eine Figur?

Sivan Ben Yishai: Eine Projektionsfläche. Ein Gefäß. Ein Mosaik. Eine Figur gibt uns die Möglichkeit, komplexe, kollidierende Diskurse in der Boxarena des eigenen Körpers auszutesten, der gleichzeitig das Mikro und das Makro, das Genom und die Geographie ist, das Private, das Soziale und das Politische in einem.

Wer spricht?

Sivan Ben Yishai: Für mich würde die Frage eigentlich lauten, wer spricht nicht? Und wer spricht zu viel? Indem ich eine Geschichte erzähle – einen Raum erschaffe – ist es schon vorgegeben, dass jemand reinkommt und jemand rausgelassen wird. In meinen Texten versuche ich, den Uneingeladenen eine Stimme zu geben: denen, die historisch aus dem Raum ausgeschlossen und aus dem Kanon verdrängt wurden. Ein Text ist immer eine Architektur derer, die zu "voll realisierten, abgerundeten Figuren" wurden und derer, die Nebenfiguren blieben, derer, die sprechen, derer, die zuhören und derer, die gar nicht auf der Bühne (oder im Publikum) anwesend sind. Worte und Leerzeichen. Ein Text ist ein Zeugnis: was entlarvt er und was verbirgt er, was schliesst er ein und was übersieht er, wer spricht und wer steht – schweigend – im Hintergrund.

Wie sieht eine Szene aus?

Sivan Ben Yishai: Let's try a Leerzeichen here?

Wann ist Schluss?

Sivan Ben Yishai: Eine Geschichte hat zahllose mögliche Enden. Auf jede Schlussszene folgt eine weitere und noch eine weitere. Nach jeder Endstation kommt noch eine Station, die die Reise in ein ganz neues Licht rückt. Ein Ende hat immer noch ein Ende und noch ein Ende. Eine Geschichte ist eine Matrjoschka. Eine russische Puppe.

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SivanBenYishai fotochristiankleiner 06© Christian KleinerSivan Ben Yishai, Autorin und Regisseurin. Ihre Stücke werden u. a. in Berlin, München, Luxemburg, Luzern gespielt. 2019/20 war sie Hausautorin am Nationaltheater Mannheim. Mit dem Maxim Gorki Theater Berlin verbindet sie eine langjährige Zusammenarbeit.


 

 

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